Wie sinnvoll sind deutsche Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak?

Die Debatte um deutsche Waffenlieferungen an die Kurden im nordirakischen Autonomiegebiet nimmt Fahrt auf. Die Regierungs- und Oppositionsparteien, aber auch andere politisch-gesellschaftliche Akteure, ringen vor dem Hintergrund der offen zur Schau gestellten Brutalität der Milizen des „Islamischen Staates“ (IS, vormals: ISIS), die im Irak und in Syrien gegen ihre Gegner wüten, um eine angemessene Reaktion. Während es zunächst von deutscher Regierungsseite aus hieß, dass man den vom IS verfolgten Jesiden im Nordirak ausschließlich mit humanitären Lieferungen helfen wolle, wurden bald auch Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak in Erwägung gezogen, die sich den IS-Kämpfern entgegenstellen. Inzwischen haben sich ranghohe Politiker wie Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Frank-Walter Steinmeier für die Lieferung von Waffen ausgesprochen. Linken-Politiker Gregor Gysi war zunächst ebenfalls dafür, entschied sich dann doch noch um und befand sich damit wieder ganz auf der Linie seiner Partei, die ausschließlich humanitäre Hilfe befürwortet.
Sind Waffenlieferungen an eine Konfliktpartei das richtige Mittel oder verschärfen sie den Konflikt nur weiter? Oder sind Waffenlieferungen vielleicht sogar zu wenig? Wäre es nicht zielführender, direkt militärisch zu intervenieren, auch mit deutscher Beteiligung?

Dagmar Metzger, Christian Bayer und Steffen Schäfer warnen auf Geolitico vor Waffenlieferungen an den Irak und insbesondere an die Kurden im Norden. Zu viele Fragen würden im Zusammenhang mit den Waffenlieferungen unbeantwortet bleiben. Was geschehe mit den Waffen, wenn die IS-Milizen besiegt sein sollten? Wie verhindere man, dass die Waffen in falsche Hände gerieten? Was, wenn die Kurden die vom Westen gelieferten Waffen, im Zuge ihrer Bestrebungen einen eigenen Staat zu gründen, gegen das NATO-Mitglied Türkei richten würden?
Nicht mit Waffenlieferungen sollte der Westen den Kampf gegen den IS unterstützen. Vielmehr gelte es, die ideologische und finanzielle Unterstützung für den IS zu kappen, die laut Metzger, Bayer und Schäfer aus Saudi Arabien, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten komme. Mit den IS-Milizen würde der Irak dann schon selbst fertig werden.

Auch Uwe Kerkow spricht sich auf MediaWatch gegen Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak aus. Noch mehr Waffen würden alles nur weiter verschlimmern und auch zu einer geographischen Ausweitung des Kriegs führen. Was also tun? Wenn man wirklich effektiv gegen die Strukturen des IS vorgehen wolle, würden jedenfalls vereinzelte westliche Luftschläge nicht ausreichen, so Kerkow. Vielmehr bedürfte es dazu einer aufwendig zwischen den verschiedenen beteiligten Parteien koordinierten, längerfristigen und dann auch blutigen Bodenoffensive gegen die IS-Milizen.

Alan Posener würde eher deutsche Militärs als deutsche Waffen in den Irak senden, wenn es denn schon sein müsse. Wenn man Waffen einmal aus der Hand gegeben habe, so Posener auf starke-meinungen.de, könne man nicht mehr bestimmen oder wissen, was mit ihnen geschehe, wer sie vielleicht erbeute oder gegen wen sie eingesetzt würden. Eine von der UNO gebilligte Militäraktion gegen den IS – auch unter deutscher Beteiligung – sei da in der Gesamtschau wohl das kleinere Übel.

Wie auch immer, Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik ist im Wandel begriffen, hin zu einer stärkeren – und militärisch aktiveren – Rolle in der Weltpolitik. Julian Junk kritisiert auf dem sicherheitspolitik-blog nicht diesen Wandel, sondern vielmehr die mangelnde Transparenz, mit der die Bundesregierung diesen bestreite. Sie erkläre der Öffentlichkeit einfach viel zu wenig. Wie sei es denn zu dem relativ plötzlichen Sinneswandel, hin zu einer Befürwortung von Waffenlieferungen an die Kurden im Irak, gekommen? Gibt es einen Plan für die Zukunft des (Nord-)Iraks und wie sieht dieser aus? Warum diskutiere man nicht auch darüber, direkt in den Konflikt einzugreifen, etwa mit der Entsendung von Truppen? Diese und viele andere Fragen gelte es zu diskutieren – und zwar öffentlich. Junk unterstützt in diesem Zusammenhang die Forderung der Grünen nach einer Sondersitzung des Bundestags zur deutschen Irakpolitik. Nur so könne man Legitimität für den Wandel der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik herstellen.

Für den kommenden Montag wurde inzwischen eine solche Sondersitzung des Bundestags angesetzt. Dabei soll auch über die Waffenlieferungen abgestimmt werden. Dies hat letztlich nur einen symbolischen Wert, denn die formale Entscheidung über Waffenlieferungen obliegt nicht dem Bundestag. Aber wem denn eigentlich? Das sei gar nicht so einfach zu klären, wie Thomas Wiegold auf Augen geradeaus! darlegt.
Es gibt also noch einiges zu klären und zu diskutieren im Zusammenhang mit der Frage nach deutschen Waffenlieferungen an die irakischen Kurden.